Beim Torwandschießen treten zwei Schützen gegeneinander an. Zunächst gibt der eine sechs Schüsse ab, anschließend der andere. Wer dabei mehr Treffer erzielt, hat gewonnen; andernfalls geht das Torwandschießen unentschieden aus.
Joe trifft beim Torwandschießen bei jedem Schuss mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 %, Hans mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 %.
Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Joe beim Torwandschießen gegen Hans gewinnt, wenn Hans bei seinen sechs Schüssen genau zwei Treffer erzielt hat. Erläutern Sie anhand einer konkreten Spielsituation, dass das dieser Aufgabe zugrunde gelegte mathematische Modell im Allgemeinen nicht der Realität entspricht.
(4 BE)
Lösung zu Teilaufgabe 3a
Wahrscheinlichkeit, dass Joe beim Torwandschießen gegen Hans gewinnt
Mithilfe des Stochastischen Tafelwerks (ST) ergibt sich:
\[\begin{align*} P(\text{„Joe gewinnt"}) &= \sum_{I\,=\,3}^{6}B(6;0{,}2;i) \\[0.8em] &= 1 - \sum_{I = 0}^{2}B(6;0{,}2;i) \\[0.8em] &\overset{\text{ST}}{=} 1 - 0{,}90112 \\[0.8em] &= 0{,}09888 \approx 9{,}9\,\% \end{align*}\]
Ausführliche Erklärung (nicht verlangt)
Die Aufgabenstellung nennt für das Torwandschießen konstante Trefferwahrscheinlichkeiten (Joe: 20 %, Hans: 30 %, vgl. Angabe). Da bei jedem der sechs Schüsse eins Schützen nur zwischen „Treffer" und „Nicht-Treffer" unterschieden wird, stellt das Torschießen eines Schützen eine Bernoulli-Kette der Länge \(n = 6\) mit der Trefferwahrscheinlichkeit \(p = 0{,}2\) (Joe) bzw. \(p = 0{,}3\) (Hans) dar.
Bernoulli-Experiment, Bernoulli-Kette
Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei verschiedene sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können, heißt Bernoulli-Experiment.
Das Eintreten des Ereignisses \(A\) wird als Treffer und das Eintreten des Gegeneignisses \(\overline{A}\) wird als Niete bezeichnet. Die Trefferwahrscheinlichkeit \(P(A)\) bezeichnet man mit \(\boldsymbol{p}\) und die Wahrscheinlichkeit für eine Niete mit \(q = 1- p\). Wird ein Bernoulli-Experiment \(n\)-mal wiederholt, spricht man von einer Bernoulli-Kette der Länge \(\boldsymbol{n}\). Dabei müssen die einzelnen Wiederholungen unabhängig voneinander erfolgen. Das heißt, die Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) bleibt konstant.
Nachdem Hans genau zwei Treffer erzielt hat, gewinnt Joe das Torwandschießen, wenn er mindestens drei Treffer erzielt.
Es sei \(X\) die Zufallsgröße, welche beim Torwandschießen die Anzahl der Treffer von Joe beschreibt.
Binomialverteilte Zufallsgröße
Für eine Zufallsgröße \(X\), welche bei einer Bernoulli-Kette der Länge \(n\) die Anzahl der Treffer \(k \in \{0,1,\dots,n\}\) mit der Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) angibt, gilt:
Binomialverteilung (vgl. Merkhilfe)
\[P_{p}^{n}(X = k) = B(n;p;k) = \binom{n}{k} \cdot p^{k} \cdot (1 - p)^{n - k} \quad (0 \leq k \leq n)\]
Eine Binomialverteilung ist durch die Parameter \(n\) und \(p\) eindeutig bestimmt und wird durch das Symbol \(B(n:p)\) gekennzeichnet. \(X\) heißt binomialverteilt nach \(B(n;p)\).
Voraussetzung für eine Binomialverteilung
Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können (Bernoulli-Experiment).
Die Zufallsgröße \(X\) ist nach \(B(6;0{,}2)\) binomialverteilt.
\[\begin{align*}P(\text{„Joe gewinnt"}) &= P_{0{,}2}^{6}(X \geq 3) \\[0.8em] &= \sum_{I\,=\,3}^{6}B(6;0{,}2;i)\end{align*}\]
Das Ereignis „mindestens drei Treffer" entspricht dem Ereignis „nicht höchstens zwei Treffer". Damit kann die Wahrscheinlichkeitsberechnung auf die kumulative Verteilungsfunktion zurückgeführt werden, was die Verwendung des Stochastischen Tafelwerks ermöglicht.
Betrachten des Gegenereignisses (mindestens \(k\) Treffer)
Kumulative Wahrscheinlichkeiten der Form \(P(X \geq k)\) lassen sich im Stochastischen Tafelwerk (ST) nicht nachschlagen. Die Betrachtung des Gegenereignisses ermöglicht das Verwenden des Stochastischen Tafelwerks:
\[P(X \geq k) = 1 - P(X \leq k - 1)\]
Die Kumulative Verteilungsfunktion \(F_{p}^{n}(k) = P^n_p(X \leq k) = \sum \limits_{i\;=\;0}^{k} B(n;p;i)\) ist für bestimmte Werte der Parameter \(p\) und \(n\) in der rechten Spalte des Stochastischen Tafelwerks mit Abiturzulassung tabellarisiert.
Mithilfe des Stochastischen Tafelwerks (ST) ergibt sich:
Kumulative Verteilungsfunktion einer nach \(B(n, p)\) binomialverteilten Zufallsgröße \(X\)
\[F^n_p (k) = P^n_p (X \leq k) = \sum_{i \, = \, 0}^k B(n; p; i) = \sum_{i \, = \, 0}^k \binom{n}{i} \cdot p^i \cdot (1 - p)^{n - i}\]
Wobei \(n\) die Länge der Bernoullikette, \(p\) die Trefferwahrscheinlichkeit für das Eintreten des betrachteten Ereignisses und \(k \in \{0,1,\dots,n\}\) die Anzahl der Treffer ist.
Das Stochastische Tafelwerk (ST) listet die Werte der Kumulativen Verteilungsfunktion jeweils in der rechten Spalte einer betrachteten Tabelle der Parameter \(n\) und \(p\).
\[\begin{align*} P(\text{„Joe gewinnt"}) &= P_{0{,}2}^{6}(X \geq 3) &&| \; \text{Gegenereignis betrachten} \\[0.8em] &= 1 - P_{0{,}2}^{6}(X \leq 2) \\[0.8em] &= 1 - \sum_{I\,=\, 0}^{2}B(6;0{,}2;i) \\[0.8em] &\overset{\text{ST}}{=} 1 - 0{,}90112 \\[0.8em] &= 0{,}09888 \approx 9{,}9\,\% \end{align*}\]
Erläuterung, weshalb das mathematische Modell im Allgemeinen nicht der Realität entspricht
Die Aufgabe legt dem Torwandschießen das mathematische Modell einer Bernoullikette mit jeweils konstanten Trefferwahrscheinlichkeiten der Torschützen Joe und Hans zugrunde.
Dass dies im Allgemeinen nicht der Realität entspricht, soll beispielsweise folgende konkrete Spielsituation verdeutlichen:
Joe tritt nach Hans beim Torwandschießen an. Er weiß, um zu gewinnen, muss er mindestens drei Treffer von sechs Schüssen erzielen. Die ersten beiden Schüsse gehen daneben. Joe wird nervös und verfehlt auch beim dritten Schuss. Die nächsten drei Schüsse müssen sitzen... Joe wird immer nervöser, worunter seine Treffsicherheit leidet. Die Annahme einer konstanten Trefferwahrscheinlichkeit ist nicht mehr gegeben.