Nach einer aktuellen Erhebung leiden 25 % der Einwohner Deutschlands an einer Allergie. Aus den Einwohnern Deutschlands werden \(n\) Personen zufällig ausgewählt.
Bestimmen Sie, wie groß \(n\) mindestens sein muss, damit mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 % mindestens eine der ausgewählten Personen an einer Allergie leidet.
(4 BE)
Lösung zu Teilaufgabe 2a
Bernoullikette, Binomialverteilung, 3-Mindestens-Aufgabe
Die Angabe nennt für das Ereignis „Ein Einwohner Deutschlands leidet an einer Allergie." die konstante Wahrscheinlichkeit 25 %. Bei den ausgewählten Personen unter den Einwohnern Deutschlands werden nur die sich gegenseitig ausschließenden Ereignisse „Person leidet an einer Allergie." und „Person leidet nicht an einer Allergie." unterschieden. Folglich kann die Auswahl der Personen als Bernoulli-Experiment mit der Länge der Bernoullikette \(n\) und der Trefferwahrscheinlichkeit \(p = 0{,}25\) für das Ereignis „Person leidet an einer Allergie." beschrieben werden.
Bernoulli-Experiment, Bernoulli-Kette
Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei verschiedene sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können, heißt Bernoulli-Experiment.
Das Eintreten des Ereignisses \(A\) wird als Treffer und das Eintreten des Gegeneignisses \(\overline{A}\) wird als Niete bezeichnet. Die Trefferwahrscheinlichkeit \(P(A)\) bezeichnet man mit \(\boldsymbol{p}\) und die Wahrscheinlichkeit für eine Niete mit \(q = 1- p\). Wird ein Bernoulli-Experiment \(n\)-mal wiederholt, spricht man von einer Bernoulli-Kette der Länge \(\boldsymbol{n}\). Dabei müssen die einzelnen Wiederholungen unabhängig voneinander erfolgen. Das heißt, die Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) bleibt konstant.
Es sei \(X\) die Zufallsgröße, welche die Anzahl der ausgewählten Personen beschreibt, die unter einer Allergie leiden.
Binomialverteilte Zufallsgröße
Für eine Zufallsgröße \(X\), welche bei einer Bernoulli-Kette der Länge \(n\) die Anzahl der Treffer \(k \in \{0,1,\dots,n\}\) mit der Trefferwahrscheinlichkeit \(p\) angibt, gilt:
Binomialverteilung (vgl. Merkhilfe)
\[P_{p}^{n}(X = k) = B(n;p;k) = \binom{n}{k} \cdot p^{k} \cdot (1 - p)^{n - k} \quad (0 \leq k \leq n)\]
Eine Binomialverteilung ist durch die Parameter \(n\) und \(p\) eindeutig bestimmt und wird durch das Symbol \(B(n:p)\) gekennzeichnet. \(X\) heißt binomialverteilt nach \(B(n;p)\).
Voraussetzung für eine Binomialverteilung
Ein Zufallsexperiment, bei dem nur zwei sich gegenseitig ausschließende Ereignisse \(A\) und \(\overline{A}\) mit konstanten Wahrscheinlichkeiten eintreten können (Bernoulli-Experiment).
Die Zufallsgröße \(X\) ist nach \(B(n;0{,}25)\) binomialverteilt.
Gesucht ist die kleinstmögliche Anzahl \(n \in \mathbb N\) der mindestens auszuwählenden Personen (Stichprobenumfang, Länge der Bernoulli-Kette).
Ansatz formulieren:
„... damit ... mindestens eine der ausgewählten Personen an einer Allergie leidet."
\[\Longrightarrow \quad P_{0{,}25}^{n}(X \geq 1)\]
„... mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 % ..."
\[\Longrightarrow \quad P_{0{,}25}^{n}(X \geq 1) > 0{,}99\]
Anzahl \(n\) der mindestens auszuwählenden Personen berechnen:
Hierfür wird das Gegenereignis zu dem Ereignis „Mindestens eine der ausgewählten Personen leidet an einer Allergie" betrachtet. Das Gegenereignis lautet: „Nicht keine der ausgewählten Personen leidet an einer Allergie."
Betrachten des Gegenereignisses (mindestens 1 Treffer)
Wahrscheinlichkeitsberechnungen einer binomialverteilten Zufallsgröße \(X\) der Form „mindestens 1 Treffer" \(P(X \geq 1)\) vereinfachen sich durch die Betrachtung des Gegenereignisses „nicht 0 Treffer":
\[P(X \geq 1) = 1 - P(X = 0)\]
\[\begin{align*} P_{0{,}25}^{n}(X \geq 1) &> 0{,}99 & &|\;\text{Gegenereignis betrachten} \\[0.8em] 1 - P_{0{,}25}^{n}(X = 0) &> 0{,}99 & &| - 1 \\[0.8em] -P_{0{,}25}^{n}(X = 0) &> -0{,}01 & &| \cdot (-1) \enspace \text{Relationszeichen dreht!} \\[0.8em] P_{0{,}25}^{n}(X = 0) &< 0{,}01 & &| \; P_{0{,}25}^{n}(X = 0)\;\text{ausformulieren} \\[0.8em] \underbrace{\binom{n}{0}}_{1} \cdot \underbrace{{0{,}25}^{0}}_{1} \cdot (1 - 0{,}25)^{n - 0} &< 0{,}01 \\[0.8em] {0{,}75}^{n} &< 0{,}01 & &| \;\text{Logarithmieren, z.B.}\; \ln \\[0.8em] \ln\left( {0{,}75}^{n} \right) &< \ln 0{,}01 & &| \; \log_{a}\left(b^{n}\right) = n \cdot \log_{a}b \\[0.8em] n \cdot \ln 0{,}75 &< \ln 0{,}01 & &| : \ln 0{,}75 < 0 \enspace \text{Relationszeichen dreht!} \\[0.8em] n &> \frac{\ln 0{,}01}{\ln 0{,}75} \\[0.8em] n &\gtrapprox 16{,}00785 &&| \; n \in \mathbb N \end{align*}\]
\[\Longrightarrow \quad n = 17\]
Es müssen mindestens 17 Personen ausgewählt werden, damit mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 % mindestens eine der ausgewählten Personen an einer Allergie leidet.
Anmerkung:
Grundsätzlich lässt sich diese Aufgabe auch mit einem geeigneten Stochastischen Tafelwerk (ST) lösen. Einziges Problem: Das Stochastische Tafelwerk mit Abiturzulassung beinhaltet keine Tabelle für \(n = 17\). Die nächstgelegenen Längen der Bernoulli-Kette sind \(n = 15\) und \(n = 20\).
\[\begin{align*}P_{0{,}25}^{n}(X = 0) &< 0{,}01 \\[0.8em] B(n;0{,}25;0) &< 0{,}01 \end{align*}\]
Das Stochastische Tafelwerk (ST) mit Abiturzulassung liefert:
\[P_{0{,}25}^{15}(X = 0) = B(15;0{,}25;0) \overset{\text{ST}}{=} 0{,}01336\]
\(\Longrightarrow \quad\)Bedingung nicht erfüllt.
\[P_{0{,}25}^{20}(X = 0) = B(20;0{,}25;0) \overset{\text{ST}}{=} 0{,}00317\]
\(\Longrightarrow \quad\)Bedingung erfüllt.
Zwar erfüllt \(n = 20\) die Bedingung \(P_{0{,}25}^{n}(X = 0) < 0{,}01\), jedoch ist \(n = 20\) nicht die gesuchte kleinstmögliche Anzahl \(n\) der Personen, die mindestens ausgewählt werden müssen, damit mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 99 % mindestens eine der ausgewählten Personen an einer Allergie leidet.
Fazit:
Sogenannte „3-Mindestens-Aufgaben" der Variante „Mindestens 1 Treffer", die nach der Länge der Bernoulli-Kette \(n\) fragen, sollten durch Rechnung gelöst werden. Das Stochastische Tafelwerk mit Abiturzulassung ist wegen des begrenzten Umfangs dafür zu unzuverlässig.